Archiv für den Monat: Juli 2012

Wie viel Multitasking verträgt der Mensch?

Beim Essen lesen, beim Fernsehschauen bügeln und sich beim Telefonieren die Fußnägel schneiden – das sind alles Dinge, die gut miteinander kombiniert werden können. Manchmal funktionieren sogar drei Dinge gleichzeitig. Doch so wirklich multitasking-fähig bin auch ich nicht, das ist mir jetzt klar.

Resultat dieser Woche: zwei große, ziemlich teure, kaputte Bilderrahmen, ein kaputter Daumen, ein versautes T-Shirt und zwischendurch ziemlich schlechte Laune. Das lohnt sich nicht. Mein Entschluss steht fest: Ich versuche jetzt alles der Reihe nach – klingt echt nach Frührente, oder?

Auch wenn man das jetzt nicht so richtig sieht, aber mitten durch das Bild verläuft ein Riss. Das Glas ist gesprungen, aber aus Protest gegen meinen eigenen „Alles-gleichzeitig-Wahn“ habe ich das Foto trotzdem in die Küche gehängt – quasi als dauerhafte Ermahnung.

Ein Riss alleine wäre zwar nicht so schlimm, aber es ist ja nicht die einzige Panne. Nach diesen Malheur, das ja jedem Mal passiert, habe ich vor ein paar Tagen noch einen anderen, größeren und extra-für-meine-neuen-Fotos-gekauften Rahmen völlig kaputt bekommen. Statt ihn gleich an die Wand zu hängen, habe ich ihn erst einmal auf den Boden gelegt. Und natürlich bin ich dann, während ich gleichzeitig meine Zähne geputzt, Klamotten aufgeräumt, Blumen gegossen und telefoniert habe, mitten auf die Glasplatte gelatscht – viele hundertzigtausend kleine Glassplitter waren die Folge.

Kennt Ihr diese Momente, in denen man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll? Naja, nachdem ich die Sauerei dann weggeräumt hatte, habe ich versucht mir einen Salat zu machen, wobei die Betonung auf „versucht“ liegt. Schon die erste Möhre an der Raspel hat nämlich dafür gesorgt, dass das Blut nur so spritzte. Gedankenversunken in einen Text, den ich gerade schreibe und dabei gleichzeitig bei den Planungen fürs Wochenende, habe ich natürlich meinen Finger statt der Möhre mit den scharfen Zacken unseres neuen Tchibo-Gemüsehobels erwischt. Genauere Schilderungen lasse ich mal lieber weg, das wäre zu ekelig.

Aber das war noch gar nicht die Spitze des Eisbergs oder der Tropfen auf den heißen Stein oder der andere Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat oder wie man das sonst noch nennen kann. Übertroffen habe ich meine „Ich-kann-kein-Multitasking-Woche“ dann noch damit, dass ich versucht habe, mir beim Fußnägel lackieren und Zeitung lesen, ohne hinzusehen einen Kaffee zu machen (bei den tollen Pad-Maschinen geht das normalerweise ganz gut) und dabei ein Joghurt zu essen, während ich einen Stapel von Unterlagen auf dem Schoß balanciert habe, den ich dann danach vom Küchen- zu meinem Schreibtisch bringen wollte. Resultat hierbei war dann, dass das Joghurt auf meinem T-Shirt, der heiße Kaffee zur Hälfte neben der Tasse, der Nagellack auf dem Buch und die Papiere auf dem Boden gelandet sind.

Na, prima. Danach war klar, dass ich mir jetzt entweder mal angewöhne, nicht mehr alles gleichzeitig zu machen, um danach nicht immer doppelt so viel Zeit fürs Putzen, Reparieren und Ärgern zu brauchen oder dass ich meinen Freund zukünftig ein Taschengeld zahle, wenn er das Chaos dann für mich übernimmt (manchmal macht er das jetzt schon – verdammt das könnte teuer werden!).

Ich weiß, dass längst bewiesen ist, dass Multitasking nicht funktioniert. Aber ist unsere Gesellschaft nicht auch irgendwie darauf angelegt, Gleichzeitigkeiten zum Prinzip zu erheben – siehe die Immer-und-überall-Erreichbarkeit (Smartphones) und die Dauerpräsenz im Internet (Facebook und Co)? Jeder will da zwar mitmachen – ich auch – aber kann das auf Dauer gesund sein? Mal schauen, ob ich es schaffe, mich wenigstens bei Multitasking-Versuchen ein wenig im Zaum zu halten. Vielleicht bin ich ja auch nur tierisch tollpatschig. Jetzt gehe ich erst einmal meinen Daumen frisch verpflastern!

Resultat:

"Das erledige ich später!"

Endlich ist es amtlich: Pflichten zu vertagen nach dem Motto „das erledige ich später“ ist keine Bequemlichkeit, sondern eine Krankheit. Das Phänomen heißt „Prokrastination“ und hat ganz viel mit Versagensangst zu tun. Oh weh, wir leben in einer ganz schön kranken Welt.

Wer bringt schon gerne Pfandflaschen weg, geht gern zum Zahnarzt oder zum Steuerberater? Klar, gibt es Dinge, bei denen das Aufschieben selbst schon zur Pflicht wird. Aber warum sind es bei vielen auch zunehmend normale Alltäglichkeiten die Probleme bereiten. Liegt das daran, dass Kiffen heute schon fast schon so salonfähig ist wie ein Glas Wein? Hat sich die Generation der heute 25- bis 35-jährigen dadurch selbst verlangsamt und können wir deshalb alles um zehn Jahre aufschieben? Sind wir alle zu Grundsatz- oder Profi-Prokrastinateuren (keine Ahnung, ob man das so nennt) geworden?
Die Medien und die „Erwachsenen“ – also diejenigen der nächsten Generation – machen es ja vor. Harald Martenstein hat sich zur Prokrastination bekannt und Sarah Kuttner benennt die Verschiebung der Altersansichten ganz klar: Die heute 40-jährigen sind heute vom Lebenswandel und den Einstellungen so „alt“ wie früher die 30-jährigen. Wir sind also quasi Berufsjugendliche und müssen uns deshalb auch nicht mehr für einen Lebensweg, ein Lebensmodell oder einen Lebensstil entscheiden. Wir dürfen alles noch aufschieben!
Folgt man dieser Logik, dann sind wir aber nicht faul, sondern besonders perfektionistisch. Prokrastination habe sehr viel mit Versagensangst zu tun, erklärt Martenstein und bevor man etwas falsch macht, macht es besser erst einmal gar nicht. Naja, als Versager oder Faulenzer kann dann auch keiner gelten. Aber muss nicht irgendwann das Gefühl entstehen: „Ich will jetzt mal zu Potte kommen!“
„Was bin ich und wenn ja wie viele“ ist dazu das vielleicht immer noch am besten passendste Motto, denn heute ich man ja auch nicht mehr nur Student oder nur Friseur oder nur Banker oder Vegetarier, Punk, Biker, FDPler, Filmstar, Fotograf, Berliner oder Hamburger. Man definiert sich einerseits über so viele Schienen und tauscht sie andererseits auch ständig wieder aus.
Hieß es früher „einmal Punk immer Punk“, so kann das heute auch nur mal eine kurze Lebensphase sein. Und auch Berufs kann man heute gleichzeitig und nur mal zwischendurch ausüben. Das ist wahre Freiheit, aber irgendwie auch schwierig dann wirklich mal „zu Potte zu kommen.“ Ich weiß noch nicht so richtig, wie ich diese Freiheit dauerhaft nutzen will. Erstmal muss ich aber so viel wie möglich davon ausprobieren.

Doch jeder, der das auch will, sollte erst einmal testen, ob er zur Prokrastination neigt. Da gibt es einen ganz einfache Online-Test dafür. Denn ansonsten könnte es passieren, dass man nur plant und Ideen hat, aber nie dazu kommt wirklich etwas auszuprobieren. Vielleicht hat man dann ja stattdessen einen Zahnarzttermin oder muss dringend noch die Pfandflaschen wegbringen.

Ist das Kunst oder kann das weg?

Was ist Kunst und was ist keine? Muss man handwerklich begabt sein, um sich „Künstler“ zu nennen oder nur den Ansatz haben, die Welt verändern zu wollen? Auch die Kunst lässt mich immer wieder rätseln und ich finde hier keinen roten Faden.

Mit mehr oder dem richtigen Konsumieren die Welt besser zu machen, kann nur Utopie sein. Trotzdem bleibt es interessant zu beobachten, was sich die Wirtschaft auch in Zukunft noch einfallen lässt, um dem Bauchgefühl der Menschen – der eigentlich besten Entscheidungsgrundlage – mit neuen „grünen“, gesunden und vermeintlich „sozialen“ Produkten einen Strich durch die Rechnung zu machen.

Genauso wie der richtige Konsum gehört heute aber auch ein eigenes Verständnis von Kunst zu jedem aufgeklärten Bürger – zumindest bekommt man das Gefühl, wenn man Zeitung liest, hin und wieder ins Museum geht oder auch nur an dem teilhaben will, über das alle so sprechen. Doch wie „mainstream“ muss man hierbei sein?

Ich schaue mir gerne Ausstellungen an, bin interessiert an Kunst und manchmal versuche ich auch, selbst ein bisschen Kunst zu „machen“ – mit Pinsel, Fotoapparat oder anderem. Doch schon, wenn ich hier über Kunst schreibe, frage ich mich, wo sie anfängt und wo sie aufhört? Wer darf sich Künstler nennen und kann man das überhaupt allgemeinverbindlich definieren?

Kunst ist Geschmacksache, klar. Aber warum werden die einen ganz groß (und reich) damit und die anderen, die vielleicht auf den ersten Blick viel schönere Dinge machen, bleiben für immer nur „Nebenbei“-Handwerker? Ist erfolgreiche Kunst, erfolgreiches Marketing oder mehr?

Für mich hat Kunst ganz viel mit Aussage zu tun, mit einer Botschaft und einem gewissen „Wachrütteln-Wollen“. Kunst kann mit viel mehr als nur mit Worten auf Schönes, Grausames oder Ungeklärtes hinweisen. Doch oft bleibt sie auf den ersten Blick unverständlich. Seitdem ich in Kassel bei der Documenta 13 war, rätsle ich über das momentan herrschende Verständnis von Kunst. Und am vergangenen Freitag bin ich bei einer Ausstellungseröffnung wieder auf ganz viele Fragezeichen gestoßen.

Im Park am Gleisdreieck in Kreuzberg gibt es jetzt „Kunst im öffentlichen Raum“ und da fand abends auch eine Performance von Victorine Müller statt. Groß angekündigt und viel gelobt stand diese als es dunkel war von Scheinwerfern angestrahlt in einer selbst zusammengeschweißten Plastikpuppe mitten zwischen den Gleisen im Park. Ja, sie stand da einfach so herum und starrte immer nur geradeaus. „Ein Zeichen für Erhabenheit“ oder so, nannte das der Ausstellungsleiter in seiner Rede. Sorry, aber was ist daran denn bitte Kunst? Gummipuppen zusammenschweißen, das machen auch in Asien täglich viele viele Menschen in den Fabriken.

Ich möchte hier niemanden zu nahe treten, – vielleicht verstehe ich diese Art von Kunst auch einfach nicht (vielleicht bin ich zu doof dafür) – aber was soll das? Was hat das mit dem Park, mit Berlin, mit der Öffentlichkeit und mit Kunst zu tun? Das ist doch nur die Künstlerin allein, die hier im Mittelpunkt steht und viele viele Fragen aufwirft. Oder ist genau das das Ziel? Sollen wir wieder mehr Fragen stellen und nicht alles immer hinnehmen? Dann sage ich: „Gelungen!“ Zumindest ich rätsle noch, was uns die Künstlerin damit sagen wollte. Viele andere haben einfach nur geklatscht, genickt und sich über das Gratis-Bier gefreut.

Kunst ist Ästhetik und Aussage und Wirkung und irgendwie auch immer das besondere Können des Künstlers. Ob das Können im Handwerk oder in der Inszenierung liegt, muss es doch mehr sein als das Alltägliche. Damit meine ich nicht, dass nicht auch das Alltägliche Kunst werden kann, wie etwa das Zeltlager während der Documenta auf dem Friedrichsplatz. Auch hier wurden eindeutige Aussagen in die Öffentlichkeit transportiert. Aber ist es nicht fragwürdig, wenn Kunst sich nicht irgendwie auch selbst erklärt? Wenn man erst stundenlang Bücher wälzen oder Experten befragen muss, um den Sinn eines Kunstobjekts zu erschließen? Steht Kunst nicht für sich allein mit seiner Aussage oder mit seiner Ästhetik?

Ich rätsle wohl weiterhin. Denn sie bleibt nun mal subjektiv, die Kunst. Und damit auch die Tatsache, wer sich Künstler nennen darf, wer damit Geld verdient, wer damit Welten bewegt und wer damit wachrüttelt oder wachküsst. Kunst ist eben Kunst, ist Kunst, ist Kunst ……. und Freiheit.

Die Bilder sind (außer das von der Gummipuppe) übrigens alle von der diesjährigen Documenta oder drum herum entstanden. Und hier gibt es noch ein bisschen was Konkreteres von mir zur Documenta.

So, jetzt ma Budder bei die Fischä …

Nachdem ich den letzten Text fast ohne Punkt und Komma und fast auch ohne Luft zu holen einfach runtergerattert habe, möchte ich jetzt mit dem eigentlichen Blog beginnen. Ich möchte mich kurz vorstellen und versuchen zu sagen, was ich hier vorhabe.
Also: Ich bin Jana Tashina Wörrle, 28 Jahre alt, Journalistin (teils angestellt und teils frei(-beruflich)), lebe und arbeite in Berlin, liebe Fotografieren, Eis essen und Gleitschirmfliegen und trage immer so viele Fragen mit mir rum, dass ich diese einfach mal loswerden muss. Außerdem erlebe ich oft so skurrile Dinge, – ob beruflich oder privat – dass ich diese nicht einfach so in der Schublade verschwinden lassen, sondern sie jetzt hier von Zeit zu Zeit preisgeben möchte.

So, das war jetzt kurz und knackig und ich hoffe, dass ich es schaffe, regelmäßig hier ein bisschen was zu berichten. Das Wichtigste aber: Helft mir meine Fragen zu beantworten, damit ich irgendwann weiß, wo es lang geht. – Vor lauter Revolutionsgeist, dass ich gerade diesen Blog begonnen habe, musste ich so eben das ganze restliche Eis aus dem Gefrierfach leer essen. Oder war es Protest gegen die Esst-Obst-Gesundheitsfanatiker und die Bio-Fairtrade-Öko-Freaks? Macht Bio glücklich und sterbe ich früher, wenn ich nicht jeden Tag Frisches zu mir nehme? Das war jetzt schon mal die erste Frage, die ich gerne mal diskutieren würde.
Ok, das auf den Fotos sind alles Lebensmittel aus meinem Vorratsschrank, für die ich (nicht nur aus Zwang und fürs reine Gewissen) Geld ausgegeben habe. Aber rettet man damit die Welt?

Hallo Welt! Ich glaube, ich habe die Orientierung verloren

Wer bin ich? Was mache ich hier eigentlich? Und wo verdammt nochmal geht es gerade hin mit mir? Mit der Welt? Mit allen anderen, uns zwei, dem Klima, meinem Job, meinem Bausparvertrag und dem Leben als solches? Fragen stellen könnte ich ohne Ende. Antworten habe ich nur manchmal. Und das ist auch der Grund, warum ich das jetzt alles mal aufschreiben will. Denn das Leben ist doch schräg und schrill. Es bietet soooooo viel und fordert sooooo viel, dass ich ganz oft den Wunsch habe, dass mir jemand mal einen Kompass schenkt. Einen Kompass fürs Leben.

Natürlich ist das Leben im 21. Jahrhundert als junge Frau Ende 20, mitten in Berlin, mit Job und Freund und Altbauwohnung, Laptop, Handy, Auto und Kaffeepad-Maschine super. Aber braucht man das alles wirklich? Und warum streben wir während der Schulzeit und vor allem im Studium immer nur nach den Zielen, die andere schon erreicht haben? – Ausgelatschte Pfade eben. Wir wollen einen Job, der uns und unseren Geldbeutel „ausfüllt“, wir wollen das erreichen, was uns Eltern, Professoren oder Fernsehstars vorleben und wir wollen dabei auch noch das Gefühl haben, dass das unser ganz individueller Weg ist. Haha… Dabei schrecken wir doch eigentlich immer wieder vor dem eigentlichen Leben zurück, oder nicht?

Schluss mit dem Gequatsche, jetzt mal ganz konkret: Ich hatte gestern einen Termin bei einem Versicherungsmakler. Es ging um eine Berufsunfähigkeitsversicherung und um meine Altersvorsorge. Schon beim Schreiben dieser Wörter bekomme ich gerade Gänsehaut. Denn es ist doch so absurd jetzt da ich gerade erst gut drei Jahre arbeite, an die Rente zu denken, an einen möglichen Unfalltod und an die anderen Risiken, denen man im Leben ausgesetzt sein könnte. Vor allem ist es doch absurd, jeden Monat dafür zu zahlen, dass man im Falle des Falles und so und so … Lebt man dann anders? Haut man dann so richtig auf die Kacke, weil man ja im Falle des Falles trotzdem Geld hat?

Dieser Termin gehört auch zu den Dingen, die ja irgendwie „dazugehören“. Ja und irgendwie ist das ja auch sinnvoll. Trotzdem fühlt es sich erstens beschissen an, zu hören, dass man noch 39 Jahre im Berufsleben vor sich hat und dann am Ende nichts übrig bleibt und zweitens ist es doch auch der Wahnsinn zu glauben, dass man besser schläft, wenn man ein dutzend Versicherungen abgeschlossen hat. Könnte man von dem Geld nicht auch Schulen in Afrika bauen oder Bäume pflanzen gegen die Erderwärmung?

Und da wären wir schon bei den nächsten Themen: das Klima, die Umwelt, der Konsum, die Gesundheit und das schlechte Gewissen. Ja, ich trenne Müll und ja, ich gehe oft im Bioladen einkaufen. Aber ich fahre manchmal auch Auto und autsch, ich kaufe keine Vollkornnudeln – wem auch immer das jetzt schadet: Entschuldigung!

Man kann heute doch nur noch alles falsch machen. Natürlich hat es „jeder selbst in der Hand“, was er kauft und konsumiert. Es hat immer „jeder selbst in der Hand“: den Job, die Beziehung, wo und wie man wohnt, wohin und mit welchen Plänen man in den Urlaub fliegt/fährt/schwimmt oder trampt, wofür man sein Geld ausgibt und ob man nett zu den Nachbarn ist. Aber genau das ist ja auch das Problem.

Jeder kann heute alles machen, wozu er Bock hat – nur unter der Voraussetzung dafür selbst die Verantwortung zu tragen. Das ist gut, aber manchmal fehlt dann eben die Orientierung. Unsere Großeltern haben sich über alles gefreut, was ihnen nach dem Krieg endlich wieder möglich war. Vieles war ja dann in den 50erm und 60ern für viele überhaupt zum ersten Mal möglich wie Urlaub im Ausland oder ein Auto zu besitzen. Diese Generation wollte einerseits Sicherheit und ein schönes Leben und andererseits haben sie mit offenen Armen alles angenommen, was Neues auf sie zukam.

Dann haben unsere Eltern, die offenen Armen wieder verschränkt, erst einmal alles abgeblockt und hinterfragt haben. Sie haben neue Rechte erkämpft und sich mit allen angelegt, die zu sehr auf das schöne Leben und die geregelten Bahnen gepocht haben. Und wir? Wir kennen schon alles und müssen auch nichts mehr erkämpfen. Wir müssen nur noch entscheiden und das ständig und immer, da uns ja alle Wege offen stehen. Das nervt.

Natürlich will ich Freiheit und die Verantwortung für mein Leben selbst tragen, aber manchmal fände ich es auch gut, nicht immer eine riesengroße Auswahl zu haben und nicht immer über alles informiert sein zu müssen. Wenn ich mich so umschaue bei Freunden und Bekannten in meinem Alter, dann herrscht an vielen Ecken und Enden große Ratlosigkeit. Da wird dann gern mal auf Dauerstudent gemacht, um der Entscheidung nach dem richtigen Beruf aus dem Weg zu gehen. Viele davon sind jetzt Anfang oder Mitte 30, leben in einer WG, verdienen irgendwie Geld – aber natürlich nicht mit dem, was sie eigentlich machen wollen. Aber sie reden ständig über das perfekte Leben. Wie es theoretisch sein könnte, was es bringen würde einfach auszusteigen und auf dem Land einen auf Selbstversorger zu machen und warum man doch nur eine bahnbrechende Idee bräuchte, um reich zu werden. Alle wollen alles und machen deshalb gar nichts: weder richtig ein-, noch richtig aussteigen. Aber warum?

Sind wir zu feige? Glauben wir wirklich daran, für immer alle Chancen zu haben und sie nur ergreifen zu müssen, wenn wir nur wirklich wollen? Kann man heute frei und verantwortlich für sich und andere handeln ohne ständig ein schlechtes Gewissen zu haben? Und wie findet man das Gefühl, den eigenen Trampelpfad so auszubauen, dass er auch für andere sichtbar wird?

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